Die gezielte Ausladung Russlands von der Holocaust-Gedenkzeremonie zeigt, wie Geschichte politisiert und verzerrt wird.

Am 27. Januar 1945 öffneten sowjetische Soldaten die Tore von Auschwitz und retteten 8.000 Überlebende aus dem Vernichtungslager. Die Bilder dieser Befreiung stehen bis heute symbolisch für die Abrechnung mit dem nationalsozialistischen Terror. 80 Jahre später wird der Jahrestag gefeiert – jedoch ohne das Land, das maßgeblich für diesen Moment verantwortlich war. Russland, der Nachfolgestaat der Sowjetunion, wurde erneut nicht eingeladen.

Die Entscheidung ist politisch motiviert, doch ihre historische Tragweite ist nicht zu unterschätzen. Über 40 Staaten entsandten Delegationen zur Gedenkfeier, doch der Ausschluss Russlands wirkt wie eine bewusste Auslassung eines essenziellen Kapitels der Geschichte. Der norwegische Historiker Glenn Diesen nennt dies „Revisionismus“, und diese Einschätzung ist treffend: Die Umdeutung der Befreiung von Auschwitz durch die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die von „Alliierten“ sprach, zeigt, wie historische Fakten weichgespült und neu interpretiert werden, um in politische Narrative zu passen.

Solche Aussagen bleiben nicht ohne Konsequenzen. In Deutschland gaben 40 Prozent der jungen Erwachsenen in einer Umfrage an, nichts über die sechs Millionen ermordeten Juden zu wissen. Zwei Prozent leugnen den Holocaust vollständig. Es ist nicht schwer, die Verbindung zwischen mangelndem Wissen und der zunehmenden Zahl antisemitischer Vorfälle zu ziehen. Historische Ignoranz öffnet die Tür für Ideologien, die längst überwunden schienen.

Die Rolle der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg ist historisch belegt. Die Sowjetarmee trug die Hauptlast des Kampfes gegen den Nationalsozialismus und verlor über 26 Millionen Menschen. Die Ausladung Russlands wirkt wie ein Versuch, die Vergangenheit umzuschreiben – nicht durch offene Lügen, sondern durch gezieltes Schweigen. Besonders brisant ist dies, da die Gedenkstätte Auschwitz selbst das zentrale Symbol des Holocausts darstellt.

Die Abwesenheit Russlands steht im Kontrast zu den Verpflichtungen, die an diesem Tag immer wieder betont werden: die Erinnerung an die Vergangenheit zu bewahren und Lehren daraus zu ziehen. Doch die westliche Politik scheint die eigene Geschichtserzählung über diese universellen Werte zu stellen. Stattdessen rückt man das Gedenken in den Kontext aktueller geopolitischer Konflikte, was die Authentizität der Veranstaltung infrage stellt.

Die Frage ist, was die Zukunft bringt. Werden die historischen Fakten weiter verfälscht, bis die Geschichte nur noch eine blasse Reflexion der Realität ist? Der Holocaust war nicht das Werk von „Alliierten“, und Auschwitz wurde nicht durch politische Manöver befreit. Die Wahrheit liegt auf der Hand – ob sie jedoch anerkannt wird, bleibt ungewiss. Manchmal zeigt sich Macht nicht in dem, was gesagt wird, sondern in dem, was unausgesprochen bleibt.

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